Onlinehandelsrecht / Dann macht auch eBay wieder Spaß

Dann macht auch eBay wieder Spaß

Anmerkungen zu Abmahnungen von Rechtsanwalt Wolfgang Wentzel aus Dresden

Die Verteidigung gegen Abmahnungen gehört zu den schwierigsten und zugleich auch faszinierendsten Produkten im Wettbewerbsrecht erfahrene Anwälte.

Das Gesetz sagt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UWG), vor der gerichtlichen Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen soll man abmahnen. Legitimerweise wird die Abmahnung in zwei Fällen eingesetzt. Die eine Situation ist vergleichbar mit dem Blitzlicht-Erlebnis beim zu schnell fahren: Ich weiß, dass ich etwas falsch mache. Es geht mir gut dabei. Ich mache dass so lange, bis mich mein Konkurrent abmahnt und versuche dann, den Preis herunterzuhandeln. Der andere Fall ist die "Elefantenrunde": Zwei etwa gleich starke Konkurrenten möchten eine "Grundsatzfrage" unter sich klären nach dem Motto: "Wenn ich mich daran halten muss, soll es für ihn auch gelten".

Leider werden heute Abmahnungen meistens zweckentfremdet. Wir beobachten dabei drei Fallgruppen. Die Abmahnung wird dazu missbraucht, Umsätze, die man über den Verkauf von Waren nicht erzielt, über Abmahnungen zu generieren. Hierbei arbeiten Mandant und Anwalt oft bis über die Grenze des standesrechtlich zulässigen zusammen. Gemeinsame "Kriegskassen" von Mandant und Anwalt sind nämlich unzulässig. Die zweite Zweckentfremdung der Abmahnung ist ihr Einsatz zur Marktverdrängung. Eine Abmahnung sollte eigentlich gesunden Wettbewerb wiederherstellen und nicht Konkurrenten "abschießen". Die dritte Fallgruppe eines Missbrauchs von Abmahnungen beobachten wir z.B. im Bereich der Strukturvertriebe (Multi Level Marketing oder Direktvertrieb). Hier werden Handelspartner im Vertrieb gezielt mit Abmahnungen "angeschossen", um diese Vertreter dann für ein anderes Unternehmen abzuwerben. Auf den ersten Blick erscheint das etwas paradox, warum soll ich für jemanden arbeiten, der mich abmahnt, an den ich Kosten zahlen soll? Bei genauerem Hinsehen etabliert sich ein der (verbotenen) Schneeballwerbung ähnliches System. Händler werden abgemahnt und wenn sie die Kosten dafür nicht zahlen können, geben sie dem abmahnenden Rechtsanwalt eine Unterschrift für weitere Abmahnungen im Namen des ursprünglich Abgemahnten oder Händler erhalten eine Abmahnung: "Sie sind abmahngefährdet! Statt der Zahlung werden Sie Mitglied in unserem Verein. Das kostet Sie dann nichts weiter.". Die letzte Masche wurde etwa von dem Schweizer Abmahnverein "Ehrlich währt am längsten" im Herbst vergangenen Jahres gefahren. Der Verantwortliche wurde u.a. dafür zu drei Jahren Haft verurteilt.

Der Nachweis des Rechtsmissbrauchs vor Gericht ist allerdings eine hohe Hürde. Nach dem Gesetz (§ 8 Abs. 4 UWG) ist eine Abmahnung dann unzulässig, wenn sie überwiegend dazu dient, einen Anspruch auf Gebührenerstattung entstehen zu lassen. Die Frage ist: Ist die Kostentragung (legitime) Folge der Abmahnung oder ist die Abmahnung (verbotenes) Mittel der Kostenerzielung? Hier gerät die Rechtswissenschaft zur Kunst, wenn man das vor Gericht nachweisen will. Es geht um den Unterschied zwischen "seriell" und "seriös". Hinzu kommt noch das Lokalkolorit einiger Wettbewerbsgerichte, die Abmahnungen meistens und auch in hoher Zahl durchgehen lassen. Es ist auch zulässig und legitim, in die Streitwertbestimmung Gedanken der Abschreckung mit einfließen zu lassen. Vor diesem Hintergrund bleibt ein erfolgreicher Nachweis des Rechtsmissbrauchs nur wenigen vorbehalten. Es bedarf eines gewaltigen Anlaufs, umfassender Fallsammlungen (Zusammenstellung möglichst vieler Abmahnungen) und eines starken Partners im Hintergrund, wie z.B. des Bundesverbandes Onlinehandel e.V., um ein Rechtsmissbrauchsurteil zu erstreiten. Wenn man das dann allerdings endlich einmal geschafft hat, dann müssen oftmals Rechtsanwälte ihre Zulassungen zurückgeben und/oder es klicken Handschellen!

Wie soll man eine Abmahnung am besten beantworten? Es ist immer eine Frage der Einzelfallprüfung, die einem im Wettbewerbsrecht erfahrenen Spezialisten vorbehalten bleiben sollte. Auch eine noch so schlecht gemachte Abmahnung kann ein Angebot zur gütlichen und auch kostengünstigen Beilegung eines Wettbewerbsstreits sein. Im Gegenteil dazu kann eine professionell aussehende Abmahnung glatt rechtsmissbräuchlich sein.

Wir prüfen Abmahnungen und messen dabei mit unterschiedlichen Maßstäben. Zum einen ist die Frage, ob Unterlassung erklärt werden soll. Um dem Abgemahnten ein gerichtliches Verfahren zu ersparen lautet die Antwort so weit als möglich ja. Natürlich darf nichts versprochen werden, was rechtswidrig ist oder was dem Händler ihm zustehende Rechte nimmt. Im Ergebnis wird hier meistens eine abgesicherte und modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben. Abgesichert meint, dass die Unterlassungserklärung bei einer möglichst höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage im Sinne des Abgemahnten zurückverlangt (kondiziert) werden kann. Modifiziert meint, so weit das geht, Gesetzestext oder Rechtsprechung in die Unterlassungserklärung hineinzuarbeiten, damit der Abgemahnte nichts verspricht, was er nicht zu versprechen braucht.

Die Frage, ob der Gegner die Kosten ersetzt verlangen kann, wird dagegen meistens mit nein zu beantworten sein. Nach dem Gesetz (§ 12 Abs. 1 Satz 1 UWG) ist Voraussetzung der Kostentragungspflicht die Berechtigung der Abmahnung. Viele der derzeit kursierenden Abmahnungen sind nicht berechtigt, besonders die, welche aus dem Graubereich des rechtlich noch nicht höchstrichterlich entschiedenen oder eines zwischen verschiedenen Gerichten umstrittenen Bereichs (Wertersatz für bestimmungsgemäße Ingebrauchnahme) entstammen. Wenn also Unterlassung erklärt wird, um ein gerichtliches Verfahren zu vermeiden, dann heißt das noch lange nicht, dass die Abmahnung berechtigt war. Streng genommen kann man nahezu alles rechtlich Mögliche zu unterlassen versprechen, aber eben nur, um ein Gerichtsverfahren zu vermeiden. Das bedeutet dann gerade nicht, dass die Abmahnung berechtigt ist - sondern oftmals das Gegenteil davon.

Die Investition in das eigene Unternehmen sollte beginnen, bevor eine Abmahnung aus dem Fax fällt. Stichworte sind eine rechtliche Überprüfung des eigenen Onlinehandelsangebotes durch einen Fachmann und eine Mitgliedschaft in einem Interessenverband, z.B. dem Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH). Beim BVOH z.B. ist die rechtliche Erstüberprüfung der Internetpräsenz durch einen im Wettbewerbsrecht erfahrenen Rechtsanwalt sowie die jährliche Überprüfung der Angebote Teil der Leistungen des Verbandes an seine Mitglieder, die auch über den Mitgliedsbeitrag abgedeckt sind. Dabei fragt man sich schon, ob man dann nicht lieber einen Jahresbeitrag von 600 EUR (ermäßigt 300 EUR) in einem Abmahnschutzverband wie dem BVOH bezahlen will, statt ein bis zwei Abmahnungen pro Jahr mit Kosten von bis zu 1.000 EUR verkraften zu müssen.

Eine Abmahnung dient übrigens meistens nie dem Verbraucherschutz! Verbraucher schätzen es nämlich nicht, wenn ständig Abmahnkosten auf die Preise umgelegt werden (müssen). Die Abmahnung ist zu einem Angriffsmittel im Wettbewerb geworden, das man als Abgemahnter aktiv parieren muss: durch Einzelfallprüfung, durch einen im Wettbewerbsrecht erfahrenen Rechtsanwalt, an besten noch mit einem Interessenverband wie dem BVOH im Hintergrund. Dann macht auch eBay wieder Spaß!

Dresden, 13.07.2007, 18:00 Uhr 

Rechtsanwalt Wolfgang Wentzel

Herr Rechtsanwalt Wentzel hat obenstehenden Beitrag für eine Fachzeitschrift geschrieben.